Gitarre im Barock
Gitarre im Barock
Die Barockzeit (ca. 1600–1750) war eine Epoche der musikalischen Pracht und Innovation, die die Entwicklung vieler Instrumente und musikalischer Stile beeinflusste. Die Gitarre, die in dieser Zeit eine bedeutende Evolution erlebte, spielte eine zentrale Rolle in der Musikszene des Barock.
Inhalt
Historische Entwicklung der Barockgitarre
Die Barockgitarre, die direkt aus der Renaissance-Gitarre hervorging, zeichnete sich durch einige wesentliche Veränderungen aus, die ihren Klang und ihre Spielweise beeinflussten. Während die Renaissance-Gitarre normalerweise vier Saitenpaare (Chöre) hatte, entwickelte die Barockgitarre typischerweise fünf Chöre.
Instrumentenbau
Der Bau der Barockgitarre unterschied sich erheblich von ihren Vorgängern. Die Instrumente waren oft reich verziert, mit aufwendigen Einlegearbeiten und Schnitzereien, die ihre ästhetische Schönheit unterstrichen. Die Decke der Gitarre war flach, und die Rückseite bestand häufig aus gewölbten Brettern. Die fünf Doppelsaiten waren in einer variablen Stimmung, die von verschiedenen regionalen Traditionen abhing.
Ein bemerkenswerter Aspekt der Barockgitarre war das Hinzufügen der sogenannten „Reentrant“-Stimmung, bei der die tieferen Saiten höher als die mittleren Saiten gestimmt wurden. Diese Stimmung verlieh der Barockgitarre einen einzigartigen Klangcharakter, der sie von der modernen Gitarre unterschied.
Wichtige Komponisten und Werke
Die Barockzeit brachte viele bedeutende Komponisten hervor, die für die Gitarre schrieben und so das Repertoire dieses Instruments maßgeblich erweiterten. Hier sind einige der einflussreichsten Komponisten und ihre bedeutenden Werke:
Gaspar Sanz (1640-1710)
Gaspar Sanz, ein spanischer Komponist und Gitarrist, ist einer der bekanntesten Vertreter der Barockgitarre. Sein Werk „Instrucción de Música sobre la Guitarra Española“ (1674) ist eine umfangreiche Sammlung von Stücken und eine Anleitung für das Gitarrenspiel. Diese Sammlung enthält Tänze, Variationen und Passacaglias, die die technische und musikalische Vielfalt der Barockgitarre demonstrieren.
Robert de Visée (ca. 1650-1725)
Robert de Visée war ein französischer Komponist, Lautenist und Gitarrist am Hofe Ludwigs XIV. Seine Werke für die Gitarre, die Laute und die Theorbe sind von großer Bedeutung für das Barockrepertoire. Seine Stücke, wie „Pièces pour la Guittarre“ (1682), umfassen Suiten und Tänze, die die Eleganz und Raffinesse der französischen Hofmusik widerspiegeln.
Francesco Corbetta (ca. 1615-1681)
Francesco Corbetta, ein italienischer Gitarrist und Komponist, war einer der führenden Virtuosen seiner Zeit. Seine Werke, wie „La Guitarre Royalle“ (1671), sind bedeutende Beiträge zur Gitarrenmusik des Barock. Corbetta war bekannt für seine komplexen und kunstvollen Kompositionen sowie für seine innovative Spieltechnik.
Stilistische Merkmale
Die Musik der Barockgitarre ist durch bestimmte stilistische Merkmale gekennzeichnet, die sie von der Musik anderer Epochen unterscheidet. Diese Merkmale spiegeln die ästhetischen Prinzipien des Barock wider, die eine Vorliebe für ornamentale Verzierungen, emotionale Ausdruckskraft und kontrastreiche Dynamik beinhalteten.
Ornamentation
Ein zentrales Merkmal der Barockmusik ist die Verwendung von Ornamenten. Diese Verzierungen, wie Triller, Mordente und Vorschläge, waren wesentliche Bestandteile der Musik und wurden oft vom Spieler improvisiert. In der Musik für die Barockgitarre sind diese Ornamente besonders wichtig, da sie die melodische Linie bereichern und dem Spieler ermöglichen, seine Virtuosität zu zeigen.
Tanzsuiten
Viele Kompositionen für die Barockgitarre sind in der Form von Tanzsuiten geschrieben. Diese Suiten bestehen aus einer Abfolge von Tänzen, wie Allemande, Courante, Sarabande, Gigue und Bouree. Jede dieser Tanzformen hat ihren eigenen Charakter und Rhythmus, was den Suiten eine abwechslungsreiche Struktur verleiht.
Kontrapunkt und Harmonie
Der Kontrapunkt, die Kunst des gleichzeitigen Spiels unabhängiger Stimmen, ist ein weiteres wichtiges Element der Barockmusik. Viele Werke für die Barockgitarre enthalten kontrapunktische Passagen, die eine hohe technische Fertigkeit erfordern. Ferner war die Harmonik der Barockmusik oft komplex und reich, mit einer Vorliebe für modulatorische Sequenzen und dissonante Auflösungen.
Techniken und Spielweise
Die Spieltechnik der Barockgitarre unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von der modernen Gitarrentechnik. Diese Unterschiede betreffen sowohl die Art und Weise, wie die Saiten gezupft werden, als auch die Art der Notation und die Rolle der Improvisation.
Rasgueado und Punteado
Zwei grundlegende Spieltechniken der Barockgitarre sind das Rasgueado und das Punteado. Das Rasgueado ist eine rhythmische Anschlagtechnik, bei der die Saiten mit den Fingernägeln angeschlagen werden. Diese Technik ist besonders in der spanischen Gitarrenmusik verbreitet. Das Punteado hingegen ist eine Zupftechnik, bei der die Saiten mit den Fingerspitzen oder dem Daumen gezupft werden. Beide Techniken wurden oft kombiniert, um abwechslungsreiche und dynamische Stücke zu erzeugen.
Campanella-Technik
Eine weitere interessante Technik der Barockgitarre ist die Campanella-Technik. Bei dieser Technik werden aufeinanderfolgende Noten auf verschiedenen Saiten gespielt, was einen glockenklaren und resonanten Klang erzeugt. Diese Technik wird häufig in schnellen Passagen verwendet und erfordert eine präzise Fingerkoordination.
Tabulatur
Die Musik für die Barockgitarre wurde in Tabulatur notiert, einer speziellen Notationsform, die die Positionen der Finger auf den Saiten angibt. Diese Notation ist weniger abstrakt als die heutige Notenschrift und gibt dem Spieler genaue Anweisungen, welche Saiten in welcher Bundposition gezupft werden sollen. Die Tabulatur erleichterte es den Musikern, komplexe polyphone Werke zu spielen.
Kulturelle Bedeutung
Die Gitarre im Barock hatte eine bedeutende kulturelle Rolle und war ein wichtiges Instrument in der Musik der Zeit. Sie war sowohl in der höfischen Musik als auch in der Volksmusik weitverbreitet und spielte eine zentrale Rolle in verschiedenen musikalischen Traditionen.
Höfische Musik
In den höfischen Salons und Palästen des Barock war die Gitarre ein beliebtes Instrument. Sie wurde bei festlichen Anlässen und privaten Konzerten gespielt und war ein Zeichen von Eleganz und Kultiviertheit. Die aristokratische Oberschicht schätzte die Gitarre für ihre Vielseitigkeit und ihren angenehmen Klang.
Volksmusik
Gleichzeitig war die Gitarre auch ein Instrument der Volksmusik. Sie begleitete Tänze und Lieder und war in vielen Teilen Europas weitverbreitet. Die einfache Bauweise und die Zugänglichkeit der Barockgitarre machten sie zu einem beliebten Instrument in verschiedenen sozialen Schichten.
Die Barockgitarre und ihre Nachwirkungen
Die Barockgitarre legte den Grundstein für die Entwicklung der modernen klassischen Gitarre. Die Techniken und das Repertoire dieser Epoche beeinflussten die Musik der folgenden Jahrhunderte und trugen zur Etablierung der Gitarre als ernst zu nehmendes Konzertinstrument bei.
Übergang zur klassischen Gitarre
Im späten 18. Jahrhundert entwickelte sich die Barockgitarre zur klassischen Gitarre, die sechs Einzelsaiten hatte und komplexer gebaut war. Diese Entwicklung markierte einen weiteren Schritt in der Evolution der Gitarre und erweiterte ihre musikalischen Möglichkeiten.
Einfluss auf die Moderne
Viele der Kompositionen und Techniken der Barockzeit haben bis heute überlebt und werden von modernen Gitarristen geschätzt und studiert. Die Werke von Komponisten wie Sanz und de Visée sind fester Bestandteil des Repertoires und bieten wertvolle Einblicke in die Musik und die Kultur des Barock.
Fazit: Gitarre im Barock
Die Gitarre im Barock war ein vielseitiges und bedeutendes Instrument, das sowohl in der höfischen als auch in der Volksmusik eine wichtige Rolle spielte. Die Entwicklung der Barockgitarre sowie die Kompositionen bedeutender Musiker dieser Epoche legten den Grundstein für die moderne Gitarrenmusik. Die stilistischen Merkmale, Techniken und kulturellen Bedeutungen dieser Zeit prägen die Gitarre bis heute und machen den Barock zu einer faszinierenden und einflussreichen Periode in der Geschichte dieses Instruments.
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